Der Wahlkampf der Linkspartei.PDS zur Bundestagswahl 2005

                                             

Vortrag an der Universität Göttingen auf Einladung von Prof. P. Lösche und Prof. K.Wettig, Januar 2006

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass in Deutschland eine Große Koalition regieren würde.

 

Wer hätte gedacht, dass Frau Merkel als Bundeskanzlerin Traumnoten von der Bevölkerung bekommen würde.

 

Und wer hätte damals schon gedacht, dass der Ostdeutsche Matthias Platzeck Vorsitzender der stolzen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands werden würde.

 

Vor allem aber: Wer hätte geglaubt, dass Gregor Gysi und Oskar Lafontaine in die Politik zurückkehren und sich an der Spitze einer 54köpfigen Fraktion DIE LINKE wiederfinden würden?

 

Und dass die Linke im Saarland 17 % der Stimmen bekommen würde bei einer Bundestagswahl – diese Wette hätte eine ordentliche Quote gehabt!

 

Sie haben mich eingeladen, hier und heute etwas über den Wahlkampf der Linkspartei.PDS zu berichten.

 

Das will ich gerne tun, nur will ich Sie vorab warnen: Wer wie ich inmitten eines solchen Stromes, gewiss nicht weltbewegender, aber immerhin doch das politische Deutschland kräftig durchschüttelnder Ereignisse sich befand, der neigt erstens dazu, zumal im Falle des eigenen Erfolges, seinen Anteil ein wenig zu überschätzen.

 

Zweitens: Ich bin zwar gelernter Sozialwissenschaftler, doch als Beteiligter zu wissenschaftlich kontrollierter Beobachtung und Analyse nur beschränkt fähig. Insofern erzähle ich Ihnen im Ganzen eine, meine Geschichte vom Wahlkampf der Linkspartei.PDS. Mehr nicht.

 

Meine Geschichte hat vier kleine Kapitel:

 

I.       Das Ergebnis der Bundestagswahlen 2005

II.     Die Ursachen für den Wahlerfolg der Linkspartei.PDS

III.  Die Wahlkampagne der Linkspartei.PDS

IV.  Zum Verlauf und zur Dynamik des Wahlkampfes

 

 

Zu I.

Das Ergebnis der Bundestagswahl 2005

 

Die Wahl hatte zunächst das allseits bekannte Ergebnis, dass es am Ende weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb zur Regierungsbildung reichte.

 

Über die Stimm- und Sitzverhältnisse sind Sie informiert.

 

Alles Weitere, auch die Große Koalition, ist nicht das Ergebnis der Wahlen, sondern der Aushandlungsprozesse der Parteien und endlich der Abstimmung im Parlament selbst.

 

Die vorgezogene Bundestagswahl hat neben der bekannt schwierigen Zusammensetzung des Bundestages ein zweites Resultat erbracht:

 

Es gibt in der Bundesrepublik auch mehr als 15 Jahre nach der Vereinigung zwei Elektorate.

 

Das ist m.E. allerdings nur für die Linkspartei selbst relevant.

 

Zwar mag es für die CDU ärgerlich sein, dass sie im Osten nicht die Stärke hat wie im Westen, was wiederum die SPD freuen kann, aber allein die Linkspartei weist eine klassische Strukturasymmetrie entsprechend dieser beiden Elektorate auf.

 

Im Osten eine der drei großen Volksparteien mit einem Anteil von einem Viertel bis einem Drittel der Wählerschaft, im Westen um die 5 % herum.

 

Entsprechend findet sich diese Asymmetrie auch in der Mitgliedschaft, der Infrastruktur und Organisation der Linkspartei wieder.

 

Es bedarf keiner großen hellseherischen oder prognostischen Fähigkeiten um zu behaupten, dass diese Asymmetrie auch noch für Jahre das Projekt einer neuen Linkspartei prägen wird.

 

Oder anders herum: Diese Asymmetrie wird durch ein Zusammengehen mit der WASG auch mittelfristig nicht verschwinden.

 

Das bedeutet einerseits, dass wir mittelfristig bundespolitisch und in den alten Bundesländern wie eine kleine Partei politisch handeln werden müssen, uns dabei, eben wegen des regionalen Charakters einer „großen” Partei im Osten, aber signifikant von den beiden andern kleinen Parteien was den Politikstil und die politischen Inhalte betrifft, unterscheiden werden.

 

Nicht zu vergessen: Auch organisationspolitisch wird eine solche Asymmetrie für die neue Linkspartei keine geringere Herausforderung werden als sie es bisher, also für die PDS,  bereits war.

 

Politischer Stil, die politische Kultur und die politischen Inhalte sind nicht voneinander zu trennen, wiewohl wir sie zu unterscheiden vermögen.

 

Weil mit dem stolzen Ergebnis von 8,7% für die Linkspartei diese vorgezogene Bundestagswahl ein speziell für die WASG relevantes drittes Ergebnis, nämlich die Behauptung der WASG als künftiger Partner der Linkspartei gebracht hat, können wir nun darangehen zu untersuchen, was da mit der Linkspartei und der WASG nach diesen Wahlen miteinander zusammen kommen will.

 

Meine These ist, dass sich in diesem Vereinigungsprozess zur neuen Linkspartei eine politische Bewegung und eine politische Partei begegnen und dass diese Kennzeichnung und Unterscheidung zu verstehen wichtig ist für die Steuerung des Projektes.

 

Die WASG ist zunächst als eine politische Bewegung zu betrachten.

 

Alle Abspaltungen dieser Art sind zunächst politische Bewegungen und ihrem Wesen nach noch keine politischen Parteien.

 

Anders ist das im Falle von Parteispaltungen.

 

Dabei entstehen zumeist gleich zwei Parteien.

 

Die WASG ist eine politische Bewegung weg von einer Partei, der SPD.

 

Und sie ist zugleich eine politische Bewegung hin zu einer neuen Partei, der WASG.

 

Der Grund der Abspaltung ist, dass sich die WASGler im Kern als die eigentlichen, die „wahren” Sozialdemokraten fühlen, die SPD, ihre ehemaligen Vorsitzenden haben die Sozialdemokratie verraten.

 

Und die neue Partei wird die eigentliche sozialdemokratische Partei sein.

 

Das ist wohl nicht überinterpretiert.

 

Für die Linkspartei, die sich als sozialistische Partei versteht, ist dabei eine Frage interessant:

 

Wie interpretieren die WASGler die wahre Sozialdemokratie?

 

Wie stehen sie zum Berliner Programm der SPD, wie zum darin noch fixierten „demokratischen Sozialismus” der alten SPD?

 

Man wird sehen.

 

Der angenommene Bewegungscharakter der WASG äußert sich in zwei Tendenzen:

 

Einmal in einer gewissen Radikalität des politischen Denkens, der Neigung, aktuell bestehende gesellschaftliche Probleme und Konflikte an der Wurzel zu packen und deren Ursachen zu beseitigen.

 

Ein solches Denken trägt immer auch utopische Züge.

 

Gegenentwürfe zur bestehenden Gesellschaft, seien sie auch nur in Form idealisierter erinnerter Gesellschaftszustände gedacht oder als Mix aus überzeichneten Merkmalen verschiedener nordischer Länder, „Ideen”, deren Zeit gekommen sei, haben Konjunktur.

 

Zum andern äußert sich der Charakter als politische Bewegung auch darin, dass Massenphänomene zu beobachten sind, eine kollektive Euphorie, ja geradezu ein heroisches Erleben des eigenen politischen Handelns stellt sich ein.

 

Klaus Ernst, einer der Führer der WASG, endete sein Grußwort auf dem Außerordentlichen Parteitag der PDS im Sommer 2005 mit den Worten:

 

„Hölderlin hat gesagt: Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Wir müssen begreifen, dass wir das Rettende sind!”

 

Natürlich tauchen politische Führerfiguren auf allen Ebenen auf und verschwinden wieder.

 

Für sich genommen ist das alles interessant, aber im Prozess der Vereinigung für die Linkspartei nur wichtig, wenn man den Charakter der Linkspartei im Gegensatz zu dem der politischen Bewegung eben als den einer politischen Partei versteht.

 

Politische Bewegungen (ich rede hier nicht von den sogen. Sozialen Bewegungen, Netzwerken wie attac o.ä.) und entsprechende politische Religionen oder Staatsutopien wollen die Wurzeln von Konflikten beseitigen, z. B. das Privateigentum.

 

Politische Parteien (soweit sie nicht bloßer organisatorischer Ausdruck von politischen Bewegungen sind) wollen die Konflikte geordnet wissen, setzen auf die Legitimität gesellschaftlicher Ordnung.

 

Man könnte auch einfach sagen:

Politische Parteien setzen auf Politik, auf Organisation und Parteiapparate, auf Institutionen des Parlamentarismus, auf das mühsame, langwierige Aushandeln von Kompromissen, das beharrliche Suchen und Finden von Lösungen, während politische Bewegungen auf die Kraft der Ideen, das Charisma der Führer und die Kraft der Massen, eben der Bewegung setzen.

 

Auch die Leitmotive beider politischen Figuren unterscheiden sich:

 

Politische Bewegungen wollen das Glück der Menschen, haben eine bestimmte Vorstellung vom Guten, auch vom „guten Leben” – sei es in der Arbeit oder im Alter.

 

Der Topos, der für politische Parteien grundlegend ist, ist Würde.

 

Politische Bewegungen setzen den angestrebten Gesellschaftszustand mit der Herrschaft des Guten, dem Zustand des Glücks aller Menschen, gleich.

 

Politische Parteien überlassen die Frage des glücklichen, des guten Lebens den Einzelnen, sehen aber eben in der Garantie der Würde eines jeden Menschen der politischen Gemeinschaft den Zweck ihres Tuns.

 

Das neue Projekt einer Linkspartei wird auf absehbare Zeit in den alten Bundesländern seinen kräftigen Bewegungscharakter behalten.

 

Bundesweit wird es mittelfristig von der Spannung zwischen politischer Bewegung und politischer Partei leben.

 

Es ist ja das eine nicht zugunsten des andern einfach zu verwerfen.

 

Das wäre auch Donquichoterie.

 

Nein, es wird darauf ankommen, beide Stile (die ja hier nur in ihren idealtypischen Formen skizziert worden sind und die natürlich immer in Mischung mit dem jeweils andern in WASG wie Linkspartei vorkommen!) in ein produktives Verhältnis zueinander zu setzen.

 

Mehr noch: solange sich in den alten Bundesländern nicht eine wirklich stabile Parteistruktur herausgebildet hat, ist es geradezu existenziell, die Bewegung (nicht allein den Bewegungscharakter des Projektes) zu bewahren:

 

Wenn politische Bewegungen „verdampfen”, bleiben Sekten zurück.

 

Zu II.

Ursachen des Wahlerfolges der Linkspartei.PDS

 

Seit längerem sind drei Tendenzen des Wählerverhaltens verstärkt zu beobachten:

 

Zunehmende „Issue”-Orientierung, Wechselwahlbereitschaft und Personalisierung der Politik.

 

Erfolg und Misserfolg einer Partei im Wahlkampf hängen davon ab, ob es gelingt, diesen Entwicklungen in der eigenen Wählerschaft Rechnung zu tragen.

 

Meine These ist, dass dies bei der Bundestagswahl 2002 gerade nicht gelungen war, bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 aber fast optimal gelungen ist.

 

Für die Niederlage der PDS bei den Bundestagswahlen 2002 gab es vier Ursachen:

 

1.      Die PDS wurde im Lagerwahlkampf zwischen den beiden Lagern zerrieben.

 

Die Partei hatte weder im 2 + 2 – Parteiensystem noch zu diesem eine Position, gefunden.

 

Ohne Verhältnis zu den andern Parteien aber konnte es keine strategische Option geben.

 

2.      Die PDS wurde durch die SPD im heißen Wahlkampf thematisch überflüssig gemacht.

Unsere traditionellen drei Images als Partei für den Osten, für den Frieden und für soziale Gerechtigkeit (für die „kleinen Leute”) waren durch das Nein G.Schröders zum Irakkrieg, den verbalen Linksruck der SPD und die Flut (die Hilfe durch die Regierung wie die beispiellose Solidarität aller Deutschen mit den betroffenen Ostdeutschen) mit einem Schlag neutralisiert und damit wirkungslos geworden.

 

3.      Die PDS hatte weder für das ostdeutsche noch für das westdeutsche Elektorat ein Angebot.

 

Nach wie vor gab es zwei Teilgesellschaften und zwei Elektorate.

 

Im Westen war die PDS völlig marginalisiert.

 

Im Osten entwickelte sich die Frage Stoiber oder Schröder zur entscheidenden Frage.

 

Auf beide Probleme hatten wir keine Antwort.

 

4.      Die PDS war heillos zerstritten.

 

Programmatisch: Ob ostdeutsche Interessenpartei oder gesamtdeutsche sozialistische Partei, ob Regierungs- oder Oppositionspartei.

 

Strategisch: Ob dem Mitte – Links – Lager oder dem sogen. Mitte – Unten – Lager zugehörig.

 

Wie sollte das Verhältnis zur SPD gestaltet werden?

 

Gab es überhaupt eins?

 

Personell: Vier Personen an der Spitze, die einander nicht grün waren und verschiedene Politiken vertraten.

 

Für den Wahlsieg bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 war entscheidend, dass diese Probleme gelöst wurden.

 

1.      Die Linkspartei.PDS konnte sich als Alternative sowohl zu Rot – Grün als auch zu Schwarz – Gelb positionieren.

 

Es war eine Weg – von – Wahl, die Enttäuschung über Rot-Grün war enorm.

 

Es gab keine Erwartung an Schwarz – Gelb.

 

Und es gab mehr Skepsis als je, einen manifesten generellen Zweifel an den Möglichkeiten von Regierung und am politischen Willen der Politiker und Parteien, sich um die wichtigen Probleme des Landes und der „kleinen Leute” zu kümmern.

 

2.      Die PDS lag mit den Wahlkampfthemen richtig.

 

Sie behauptete sich in den Medien mit ihren sehr konkreten Vorschlägen des Wahlprogramms, die außerordentlich hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung fanden.

 

Zudem hatte sie durch ihren Widerstand gegen die Agenda 2010, besonders gehen Hartz IV, ihr Image als „Kümmerer – Partei” zurückerobert und sich zugleich als erste Adresse für Protestwähler empfohlen.

 

3.      Mit dem Projekt einer neuen Linkspartei hatte die Linkspartei.PDS den Wählerinnen und Wählern ein bundesweit attraktives Angebot gemacht

 

4.      Die Linkspartei.PDS ging einig und geschlossen wie nie in den Wahlkampf.

 

Keine Flügel und Fraktionen, kein Ost gegen West.

 

Ein Parteivorsitzender mit unbestrittener hoher Autorität, ein exzellenter Wahlkampf- und Parteimanager, zwei Spitzenkandidaten und eine neue Idee.

 

Das überzeugte.

 

Das Geheimnis des Wahlerfolgs war also in ihrem politischen Angebot zu suchen:

 

  1. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine
  2. Projekt der neuen Linkspartei
  3. ein Bündel konkreter politischer Vorschläge auf den zentralen Themenfeldern des Wahlkampfes

 

 

Zu III. 

Die Wahlkampagne der Linkspartei.PDS

 

Wie hatte sich die Linkspartei. PDS für den Wahlkampf aufgestellt?

 

Eine solide strategische Basis

 

Dank der Arbeit der Kommission Strategie und Wahlen verfügte die Linkspartei. PDS bereits Anfang Juni 2005 über eine Wahlstrategie, deren Orientierungen im Wahlkampf Bestand hatten und auf der die Wahlkampfvorbereitung und -führung sicher gründeten.

 

1.      Die Einschätzung der politischen Lage in Deutschland hatte Bestand

 

Die rot – grüne Regierung war am Ende, sie hatte das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verloren.

 

Sie war mit ihren Reformen, der Agenda 2010, gescheitert, statt sozialem und ökologischem Umbau der Bundesrepublik gab es Sozialabbau und Entbändigung des Kapitals.

 

Die Union hatte diese Politik in wesentlichen Teilen mitgetragen und sie stand für eine radikalere neoliberale Politik.

 

Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger wollte Veränderung und kein „Weiter so”.

 

Es gab eine Wechselstimmung, die weniger von einem „Hin zu Schwarz – Gelb” als von einem „Weg von Rot – Grün” getragen wurde.

 

Soziale Verantwortung gab es bei dieser Bundestagswahl nur von links.

 

Die Linkspartei. PDS hatte sich über die Jahre durch ihr soziales Engagement in der Opposition, durch ihre Solidarität mit den Schwachen, ihre Offenheit für soziale Bewegungen und ihr engagiertes Handeln als Koalitionspartner in Berlin und Schwerin und durch ihren innerparteilichen demokratischen und programmatischen Erneuerungsprozess Respekt und Anerkennung v.a.  in Ostdeutschland erworben.

 

Mit dem Zusammengehen von PDS und WASG war das linke Wählerspektrum in den alten Bundesländern kräftig in Bewegung geraten.

 

Das Wahlziel der Linkspartei. PDS war wie folgt beschrieben:

 

Als starke Fraktion in den Bundestag einziehen, den Grundsatz sozialer Verantwortung im Parlament energisch vertreten, mit konkreten, realistischen politischen Vorschlägen und der Unterstützung einer stabilen Allianz  aus politischen und sozialen Kräften und unabhängigen Bürgerinnen und Bürgern Einfluss auf die künftige Gestaltung unseres Landes nehmen.

 

2.      Die Kernaussagen zum Wahlkampf, zum Wahlprogramm, zum Zeitplan und zur Wahldramaturgie wurden in die Wahlkampagne umgesetzt:

 

Wir führten einen Zweitstimmenwahlkampf und kämpften in wenigen Wahlkreisen (3 in Berlin, 2 in BRB) um Direktmandate.

 

Es kam allen Parteien darauf an, zuerst die Stammwähler zu binden und darüber hinaus Wechselwähler zu gewinnen.

 

Mit dem neuen Projekt einer Linkspartei aus WASG und PDS eröffnete sich die Chance, in relevanter Größenordnung bisherige Nichtwähler an uns zu binden.

 

Wir wollten die Konfrontation mit den andern Parteien, um die wirkliche Alternative deutlich zu machen.

 

Bekommen haben wir durch den mutigen Schritt beider linker Parteien aufeinander zu die Konfrontation der andern uns gegenüber.

 

Die für den Wahlkampf wichtigen Themen wurden früh bestimmt:

 

Arbeit & Soziales, Bürgerbeteiligung, Chancen der jungen Generation & Bildung, Innere und äußere Sicherheit sowie die Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

 

In eigenen Untersuchungen und Umfragen wurden Einstellungen, Werte und Erwartungen unserer potenziellen Wählerschaft bestimmt:

 

Problemlösung durch mehr Bürgerbeteiligung und gesellschaftlichen Dialog, Einsatz für sozial Benachteiligte, Entwicklung eigener Phantasie und Kreativität, Selbstverwirklichung und Toleranz, klare Gegnerschaft zu radikalen Einschnitten in die sozialen Sicherungssysteme, eigene Vorschläge zur Lösung der Probleme, Engagement für gewaltfreie Konfliktlösung, einfache Sprache und intellektuell anspruchvolle Argumentation, Kommunikation in Familie, mit Freunden und Bekannten.

 

Die Wahlkampagne sollte den Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit geben, ihren Protest und das Nein zur bisherigen Politik zu verbinden mit dem Ja zu konstruktiven, „schlauen” Lösungen.

 

Das haben die Agenturen Trialon und DIG in der Werbekampagne exzellent umgesetzt.

 

Nach wie vor gab es zwei Wahlgebiete, sogen. Elektorate, die Menschen wählten in Ost und West unterschiedlich.

 

Aber: Auf Grundlage eines Wahlprogramms kämpfte eine Partei mit unterschiedlichen Mitteln in alten und neuen Bundesländern um den gemeinsamen Wahlerfolg, um eine starke Fraktion.

 

In der Wahlstrategie hieß es, dass die PDS ein starkes linkes Zentrum für soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Frieden und die Würde aller im Parlament braucht und dass alle, die das ähnlich sehen, dazu eingeladen werden.

 

Diese Einladung wurde angenommen.

 

Mit dem neuen Projekt Linkspartei. PDS und den beiden Spitzen hatten sich in der öffentlichen Wahrnehmung die Gewichte verschoben:

 

Das Projekt selbst und die beiden Spitzenkandidaten waren stark in den Vordergrund gerückt, die strikt inhaltliche Ausrichtung des Wahlkampfes wurde dadurch relativiert, aber nicht aufgegeben.

 

Die Vorgaben der Wahlstrategie wurden im Wahlprogramms umgesetzt, das galt für die thematische Ausrichtung, die Orientierung auf eine konstruktive Diktion (Ja – Themen) wie für den Anspruch von Kürze und Prägnanz.

 

In kürzester Zeit wurden die Vorgaben des Zeitplanes und der Wahlkampfdramaturgie durch Wahlbüro, Wahlquartier und Agenturen umgesetzt.

 

Die alternative Kampagne der Linkspartei. PDS

 

1.      Die politische Alternative kam auch werberisch alternativ daher.

 

Die Werbekampagnebasierte auf  zwei Gesichtern, den 6 Ja – Themen und dem neuen Projekt der Linkspartei. PDS.

 

Sie arbeitete auf Großflächen und Themenplakaten mit dem neuen Logo, frischen Bildmotiven und frechen Slogans, bei den Personenplakaten mit sympathischen Schwarzweiß -Fotos und intelligenten Zitaten und hielt diese Sprache auch in den TV- und Kinospots durch.

 

2.      Wir waren aller andern Gegner, drohten ihnen Stimmen wegzunehmen und sie möglicherweise um den Sieg zu bringen.

 

Wir brauchten im Wahlkampf keinen Gegner zu haben.

 

Nicht mehr Negative Campaigning als nötig wurde unser Motto und Eigenes wurde nach vorn gestellt:

 

Das Wahlprogramm, das neue Projekt der Linkspartei und die neue soziale Idee.

 

3.      Es gab Angriffe aus drei Richtungen:

 

Auf die Personen Gysi und Lafontaine, politische Vorwürfe: Programm und Positionen seien unmodern und unseriös in der Finanzierung und es gab lange Zeit die juristischen Zweifel an der wahlrechtskonformen Listenaufstellung.     

     

Unsere Reaktionen waren auf die persönlichen Angriffe entschieden und gelassen zugleich, die Umfragen zeigten, dass diese Angriffe relativ wirkungslos blieben.

 

Auf die politischen Vorwürfe reagierten wir offensiv, argumentativ und werbend.

 

Den juristischen Zweifeln wurde klarstellend und entschieden entgegen getreten.

 

Trends aus Meinungsumfragen

 

Mobilisierung

 

Die Linkspartei hatte – gemessen am Ergebnis der Bundestagswahl 2002 – bis Mitte August einen beachtlichen Mobilisierungsgrad erreicht.

 

Die Linkspartei hatte im Durchschnitt der Wochen von Mitte Juli bis Mitte August 78 % der PDS-Wähler von 2002 mobilisiert, 8 % waren noch unentschlossen, 2 % wollten nicht wählen und 3 % waren zu anderen Parteien abgewandert.

 

Gysi & Lafontaine

 

Beide Spitzenkandidaten wurden Mitte August von jeweils etwa der Hälfte der Befragten als konsequent und volksnah eingeschätzt, etwa jeweils 40 % nannten sie verantwortungsbewusst, für jeweils gut ein Drittel waren sie wählbar.

 

Bei den Sympathisanten der Linkspartei lag der Grad an Zustimmung jeweils oberhalb von 80 %. Die Bewertung der Ostdeutschen war für Gregor Gysi überdurchschnittlich gut.

 

Er zog also im Osten deutlich stärker Wähler an, während Oskar Lafontaine besser flächendeckend mobilisierte.

 

Wahlkampfthemen

 

Dem Vorschlag zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe von 1.400 Euro netto stimmten 58 % (West 54 %, Ost 72 %) zu, der Einführung einer Grundrente von 800 Euro 67 % (West 64, Ost 80 %).

 

Die Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für Leistungen des Handwerks und für apothekenpflichtige Arzneimittel begrüßten 80 %.

 

Die Auszahlung der ALG II-Leistungen, des Wohngeldes und des Zuverdienstes aus „Ein-Euro-Jobs” als Nettolohn zur Schaffung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze fanden 53 % gut.

 

Die Erhebung der Vermögenssteuer auf Vermögen ab 300 Tausend Euro unterstützten 71 % (West 68 %, Ost 81 %). 

 

Die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer fand Zustimmung bei 42 %.

 

Drei Viertel schlossen sich der Idee der Einführung einer bedarfsorientierten sozialen Grundsicherung an, im Osten waren es sogar 85 %.

 

Schließlich unterstützten drei Viertel die Forderung nach einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. 

 

Die Schwachstelle im Wahlprogramm der Linkspartei war die Finanzierbarkeit – nur 15 % (West 13 %, Ost 23 %) der Befragten meinten, dass diese Versprechen im Wahlprogramm der Linkspartei finanzierbar wären, auch unter den Anhängern der Linkspartei hielten nur vier von zehn Befragten die Vorschläge für finanzierbar.

 

Ein Viertel hielt die Vorschläge für glaubwürdig, gut ein Drittel sah in ihnen einen Beitrag zur Lösung der Zukunftsprobleme in Deutschland. 54 % Prozent meinten, dass diese Vorschläge die Chancen der Linkspartei auf einen Einzug in Fraktionsstärke in den Bundestag erhöht hätten.

 

Noch einmal zu der Werbekampagne, speziell den Großflächen und Plakaten

 

Diese Medien prägen traditionell den Wahlkampf der PDS.

 

Gerrit von Aaken, ein recht bekannter Desingblogger, hat die Plakatkampagne der Linksspartei.PDS wie folgt beschrieben:

 

„Die Linkspartei überrascht mit den modernsten Plakaten aller Parteien. Frisch und bunt, deutliche Größenkontraste, angesagte Bildsprache: Die ehemalige SED gibt sich ein fettes Image als Partei der Jugend und des Aufbruchs. Eigentlich eine seltsame Taktik, denn man bedient sich einer stilisierten Konsumwelt-Ästhetik.

Und ist Konsum nicht in einem Atemzug mit Kapitalismus zu nennen? Nun, offensichtlich versuchen die Linken massiv, ihr angestaubtes Sozialistenimage in das neue Jahrtausend zu katapultieren. Formal sehr gut gemacht: Aktiv, spritzig und einfallsreich, dabei aber weder anbiedernd noch verschreckend. Grafisch der klare Sieger.

 

Der seriöse Gegenpart zu den bunten Piktogramm-Plakaten. Lustigerweise fehlt hier die PDS im Logo. Dank Zweifarbdruck günstiger herzustellen. Aufgeräumt, klar und mit großen Worten eines kleinen Mannes. Das Zitat ist in der Corporate S gesetzt. Eine clevere Wahl, denn man sieht in den letzten Jahren so selten serifenbetonte Schriften in der Öffentlichkeit, dass hier eine ungewohnte Frische zu Tage tritt. Das ist alles nicht spektakulär, dennoch kann sich das Plakat wegen seiner Geradlinigkeit und seiner Frische durchsetzen. Das Schwarz-Weiß-Portrait tut sein übriges, um aufzufallen. Welcher Spitzenpolitiker würde es zulassen, sich ohne kuschelige Farben fotografieren zu lassen? Nur der Oskar und der Gregor!”

 

Zu IV.  Verlauf und Dynamik des Wahlkampfes

 

Nachdem die Linkspartei.PDS wochenlang gut über 10% in den Umfragen lag, sank sie in der zweiten Augusthälfte von 11% auf 9%.

 

Was war geschehen?

 

Wir wussten das damals auch nicht so genau, minus 1% auf alle alten Bundesländer pro Woche, das ist ja eine Entwicklung, wo kritische Statistiker einfach abwinken.

 

Unsere politische Analyse ergab, dass wir es mit folgenden Entwicklungen zu tun hatten:

 

o       Führende CDU-Politiker (Stoiber, Schönbohm und Merkel) hatten durch despektierliche Äußerungen über den Osten Deutschlands eine neue Ostdebatte mit viel Emotionen ausgelöst. Die Linkspartei.PDS reagierte nicht angemessen.

o       Paul Kirchhoffs Steuermodell löst viel Empörung aus, A.Merkel pfeift ihn zurück

o       19. August: Zulassung der Listen der Linken durch die Wahlleiter von Bund und Ländern. Schlagartig sank das Interesse an dieser Frage.

o       23. August: Rot-Grün startete ihrerseits eine Pro-Osten-Offensive, prominente Politiker der Linkspartei erklärten Oskar Lafontaine zum „Luxuslinken”

o       24. August: Streit in der Linkspartei um die Höhe eines zu fordernden Mindestlohnes

o       27. August: Bundesparteitag der Linkspartei, sehr selbstbezogen, erster Auftritt Lafontaines vor einem solchen Parteitag.

 

D.h. für uns damals, dass wir an wichtigen Punkten und in wichtigen Momenten schwächelten:

 

In der wieder aufflammenden Ostdebatte spielten wir kaum eine Rolle.

 

Wir begannen ohne Not einen internen Streit über Sachfragen, demontierten den Spitzenkandidaten.

 

Eine alte Schwäche der Linken, sich allzu gern mit sich selbst zu beschäftigen, trat wieder einmal zutage.

 

Entscheidend aber war wohl der Rückgang der öffentlichen Aufmerksamkeit für das neue Linksprojekt, ein gewisser Sättigungseffekt.

 

Sie werden sagen, dass diese Analyse etwas zu kurz greift und dass es wohl doch die Schwäche der CDU und die Stärke der SPD in den letzten Wochen gewesen sein sollte, die einen beachtlichen Teil der potentiellen Wählerinnen und Wähler der Linkspartei.PDS wieder in eine Abwartehaltung getrieben hatte.

 

Das ist völlig richtig.

 

Darum noch einige Worte zum Schluss zum Finale Merkel contra Schröder.

 

Zum Wahlkampf der CDU wurde viel geschrieben, den Kritiken von R.Koch und M.Spreng ist nicht viel hinzuzufügen.

 

Vielleicht nur noch dies:

 

Dieser Wahlkampf war der Versuch einen Supertanker in einen Hafen hinein zu bugsieren, das Bild von den großen Volksparteien als schwerfälligen Riesenschiffen, die nur langsam Richtungsänderungen vornehmen können, trifft hier wohl gut zu.

 

Der wirklich faszinierende Vorgang fand mit der SPD und mit derem Spitzenkandidaten G.Schröder statt.

 

Schröder hatte längst verloren, die Wähler, die Medien, die eigene Partei – alle waren sich einig, es würde nix mehr werden.

 

Da begann Schröder völlig umzuschalten, er forderte die CDU und Frau Merkel heraus.

 

Es wurde ein persönlicher Kampf, zunächst ganz aussichtslos, aber das machte rasch Eindruck.

 

Die Berichte von den Wahlkampfveranstaltungen mit Schröder waren sehr merkwürdig.

 

Neugier, Zustrom, Begeisterung.

 

Man meinte, die üblichen Phänomene einer Good-bye-Tour zu erkennen.

 

Es war viel mehr.

 

Schröder schwang sich zum politischen Führer auf, er sprach nicht mehr zu seiner Partei, sondern zu einer Bewegung, zu Massen.

 

Höhepunkt war zweifellos der Parteitag, eine Masseninszenierung bester Art.

 

Der ganze Raum wurde genutzt, es gab Bewegung, entlose Huldigungen, einen charismatischen Schröder.

 

Und auch F.Müntefering hatte verstanden.

 

In seiner Rede beschwor er die große 150jährige Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, einer Arbeiter-, einer Massenbewegung.

 

Dem hatte die CGU überhaupt nichts entgegenzusetzen. Im Wortsinne erstarrt  war sie als Partei angesichts der Wucht dieser politischen Bewegung mit dem doch als Verlierer längst abgeschriebenen Kanzler an der Spitze.

 

Visionen, Omnipotzenzphantasien, Verheißungen, Emotionen, der Glaube an die eigene Sache und an den Sieg.

 

Es war diese Mischung, die dann am Wahlabend im Studie in Schröder selbst explodierte.

Sie erinnern sich.

 

Meine Damen und Herren,

angesichts dieser Dramatik und Dynamik der letzten Wahlkampftage finde ich es heute noch höchst erstaunlich, wie stabil doch meine eigene Partei geblieben war.

 

Sehr viel länger hätte das auch nicht mehr gehen dürfen.

 

Ich hoffe, Ihnen einen gewissen äußeren, aber vielleicht auch inneren Eindruck von der Wahlkampfführung der Linkspartei.PDS bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 vermittelt zu haben.

 

Es war ein Wahlkampf, auf den wir uns gefreut hatten, der Spaß gemacht hat und der zum guten Schluss auch ein äußerst erfolgreicher  Wahlkampf geworden  war.

 

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


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