Strategie und “Werkzeugkoffer”

Noch keine Antworten, aber gute Fragen. Bericht von einem Workshop gegen Rechtsextremismus

(Veröffentlicht in: Disput, Februar 2007)

 

Zweifellos gibt es in der Linkspartei ein starkes Bedürfnis nach systematischer Anleitung und Unterstützung der politischen Arbeit in Gebieten mit einem hohen Anteil von Wählerstimmen für rechtsextreme Parteien. Darum lud Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch Funktionäre und Abgeordnete aus Kreisen und Kommunen, wo sich die Linkspartei.PDS mit der NPD in Kreistagen und Kommunalvertretungen konfrontiert sieht, am 25. Januar des Jahres zu einem Workshop nach Berlin ein.

Dietmar Bartsch führte ein: Was können wir in der Partei tun, um als Partei noch besser als bisher den Kampf gegen den Rechtsextremismus zu bestehen? Es gelte nicht, das Rad neu zu erfinden. Aber es kräftig in Schwung zu bringen, darauf käme es an.

Dafür nannte er drei aktuelle Gründe: Erstens habe sich der organisierte Rechtsextremismus gerade dort, wo wir leben und wo wir als Partei unsere Basis haben, in einer Vielzahl ostdeutscher Kommunen nicht nur festgesetzt, sondern er beginnt, sich dort zu reproduzieren, zu entwickeln. Wir müssen uns dagegen politisch wehren.

Zweitens stehen wir unmittelbar vor der Gründung einer neuen Partei. Als Linkspartei.PDS stehen wir von Anbeginn an in einer antifaschistischen Tradition. Diese gelte es als wertvolles Erbe in die neue Partei einzubringen.

Drittens befinden wir uns weltweit in einem Epochenumbruch. Die Demokratie steht vor der vielleicht größten Herausforderung seit der Zeit des Faschismus. Und die Rechtsextremen haben da die Botschaft parat: Die Demokratie taugt nicht für das Leben im 21. Jahrhundert. Weg damit! Und weg mit den Demokraten! – Darum ist die Frage der Verteidigung der Demokratie unbedingt an deren Weiterentwicklung gebunden und eine Tagesaufgabe für Sozialistinnen und Sozialisten.

Die Arbeit begann damit, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die spannendsten der 15 Thesen aus einer Studie von Carsten Hübner(1) auswählten. Dann ging es in die Gruppenarbeit.

Eine Gruppe diskutierte die These: Die NPD ist keine soziale Partei. Die NPD stelle die soziale Frage als nationale Frage. Aber wie sozial ist eine Gemeinschaft, die auf “natürlicher” Ungleichheit basiert, also rassistisch, ist? Es wurde herausgearbeitet, dass die Aussage, wo die Linke stark ist, seien die Rechtsextremen schwach (und umgekehrt), wohl nur inhaltlich gilt. Das heißt, wo wir unser Verständnis von “sozial” (soziale Frage, neue soziale Idee) öffentlich machen können, schränken wir die Kraft rechter Parolen ein. Und wo Linke die soziale Idee leben, wo Wort und Tat vor Ort übereinstimmen, gewinnen sie Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

Die zweite Gruppe diskutierte die These “ein Kommunalpolitisches Konzept gegen Rechts erarbeiten”. Kommunalpolitik gegen rechts, das sei ein Marathon, da brauche es langen Atem. Zugleich gehöre da hinein, wie man sich auf konkrete Situationen im Ort vorbereitet, wie man mit Ängsten umgehen lernt. Vernetzung der Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker war ein Thema, Förderung alternativer Jugendkulturen, Bündnisse, Qualifizierungen und so manch andere Anregung wurde diskutiert und zu Protokoll genommen. Bausteine für ein brauchbares kommunalpolitisches Konzept.

Die These, dass die NPD keine “normale”, keine demokratische Partei sei, wurde von einer dritten Gruppe diskutiert. Einig war man sich, dass in der Bevölkerung vielfach der demokratische Schein den inhaltlich auf die Vernichtung der Demokratie ausgerichteten Charakter des organisierten Rechtsextremismus verdecke. Diese Inszenierung gelte es zu verhindern, als Inszenierung zu entlarven. Dazu seien die Genossinnen und Genossen besonders im ländlichen Raum zu schulen.

Und es schaute am Ende der Diskussion so aus, als hätten wir einige Fäden in die Hand bekommen, aus denen sich durch weitere Arbeit ein kräftiges, belastbares Seil machen ließe.

Noch keine Antworten. Aber gute Fragen:

Die Ressourcen der Partei – wo werden sie eingesetzt? In den städtischen Hochburgen, im ländlichen Raum? Was wäre zu tun, damit die Kräfte der Partei flexibler werden, verfügbar an den Brennpunkten der politischen Auseinandersetzung?

Gefragt ist die Konzentration auf das “Kerngeschäft” linker Politik: die soziale Frage, die Gerechtigkeit und der Frieden. Unser Antifaschismus dürfe sich nicht zwischen dem täglichen Dutzend Anträgen von Fraktionen und Presseerklärungen von Vorständen verlieren.

Flexibilität im politischen Handeln – das heißt Stand- und Spielbein linker Politik gleichermaßen zu trainieren. Antifaschismus lebt im vor- und außerparlamentarischen Raum sowie in den Parlamenten und Amtsstuben.

Den Vorständen der Partei wurden als besonders dringliche Probleme zur Lösung empfohlen:

  • 1. Die NPD hat eine klare Strategie. Es bedarf einer linken Gegenstrategie unserer Partei. Wie können wir eine solche entwickeln?
  • 2. Es bedarf eines besseren Zusammenspiels von Rosa-Luxemburg-Stiftung, Linkspartei und der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Dafür müssen bei der Partei entsprechende personelle Voraussetzungen wieder hergestellt werden.
  • 3. Die vorhandenen Möglichkeiten zur direkten Kommunikation zwischen Basis und Vorständen respektive Geschäftsstellen müssen entschlossener genutzt werden, um den Bedarf vor Ort in den jeweils tagesaktuellen Auseinandersetzungen mit den Rechtsextremen zu ermitteln und rasch zu befriedigen.
  • 4. Ganz wichtig: Bei aller mittel- und längerfristigen Organisation antifaschistischer Arbeit braucht es auch sofortiges Handeln, auch von Vorständen. So fiel immer wieder die Forderung nach einer Art “Werkzeugkoffer” für jene, die sich nicht immerzu mit dem Thema Rechtsextremismus befassen.

Es gibt ermutigende Zeichen: Der Sprecherrat der Bundes-AG Rechtsextremismus/Antifaschismus sicherte für die nächsten Veranstaltungen Unterstützung zu. In der Bundestagsfraktion bildete sich über Arbeitskreise hinweg eine Querschnitts-AG Rechtsextremismus. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung plant die Ausweitung ihrer Aktivitäten auf einem Themenfeld Rechtsextremismus. Die Partei sollte die Herausforderung annehmen und mit ihren hauptamtlichen Strukturen die Mittlerrolle übernehmen. Auch dies eine Anregung und Forderung aus dem Workshop.

Fortsetzung folgt. Im Frühling.

Anmerkung

(1) Hübner, Carsten: Aktuelle Entwicklungstendenzen im deutschen Rechtsextremismus. Studie im Auftrag des Bereichs Strategie und Politik der Bundesgeschäftsstelle der Linkspartei.PDS, Berlin Dezember 2006


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