(Veröffentlicht in: Politische Berichte Nr. 9, 12.September 2013, S.23)
Peer Steinbrück hat, von den Medien wohlwollend aufgenommen, das Bild von den schönen leeren Schachteln gebraucht, die Angela Merkel in die Schaufenster stelle. Er hat die Wähle- rinnen und Wähler aufgefordert, doch hinein zu schauen und sich von der Leere, dem schönen Schein, selbst zu überzeugen.
Bernd Riexinger hat auf der Pressekonferenz nach dem Duell ein anderes Bild gebraucht, wenn er von dem Märchen sprach, dass die Kanzlerin von der Wohlfühlrepublik Deutschland erzählt habe. Das ist insofern ein gutes Bild, als es das paternalistische Verhältnis zwischen der Kanzlerin und ihrem Volk umfasst. Es ist, das darf man nicht verkennen, ein schönes Märchen von einem Land, das von bösen Mächten und vielen Gefahren bedroht wird. Zu den Bösen zählen auch die Sozis, weil sie die Arbeitsplätze schaffenden Menschen bedrängen, mit Steuern, Mindestlohn und derartigem. Die Guten sind die Fleißigen, Arbeitenden, Bescheidenen. Sie sind wie Angela Merkel. Und sie sind schwach. Aber wie es im Märchen so ist, der Held ist häufig eine schwache Gestalt, die sich im überschaubaren Kampf zwischen Gut und Böse am Ende durchsetzt und belohnt wird. So wie Frau Merkel es gegen die bösen Männer der Union geschafft hat. Und gegen die bedrohlichen Mächte um Deutschland herum.
Es ist also klar: Merkel präsentiert nicht bloß leere, schöne Schachteln und sie erzählt nicht nur so ein Märchen. Sie stiftet politischen Zusammenhalt. Und der vermittelt Sicherheit. „Tatsächlich ist das Bedürfnis nach Sicherheit das gesamtdeutsche Dispositiv schlechthin” schreibt Albrecht von Lucke in seinem Artikel „Angela Merkel, sicher ist sicher” in den neuesten „Blättern”.
Wir müssen uns fragen, welchen politischen Zusammenhalt wir zu stiften in der Lage sind mit unserem Wahlkampf und welche Vorstellung von Sicherheit damit transportiert wird. Und hier wird die Schwäche einer segmentierten Opposition, eine politisch nicht vorhandenen Lagers Mitte-Links deutlich. Wer Die Linke beim Wahl-O-Mat für sich tippt und dennoch nicht zur Wahl dieser Partei entschließen kann, wer zwischen SPD und der Linken schwankt und sich entscheidet oder auch nicht wählen geht, der wählt jedenfalls nicht eine Alternative, ein anderes Lager, sondern bestenfalls eine Partei. Er wählt die Unsicherheit.
Das schreit geradezu nach einem Aus- gleich für den Verlust. Was bieten wir da an Stelle der Gemütlichkeit von Muttis Welt? Wir bieten Freiheit, Engagement, Ehrlichkeit. Auch Mühe und Risiko. Dafür aber auch Solidarität. Den Blick für und die Sorge um den Letzten im Treck. Wir wollen nicht nur durchkommen, sondern Probleme lösen, Neuland betreten. Es gibt etwas zu gewinnen, was uns mehr noch fehlt als diese Sicherheit. Die Fähigkeit, trotz eines bescheidenen Wohlstandes ein Schiff zu betreten und aufs offene Meer hinaus zu fahren. Was du hast verlierst du, wenn du nicht bereit bist, Neues zu erobern. Irgendwie braucht es eine solche Haltung, wie sie Wolf Biermann beschrieb: „Ach du, ach das ist dumm: Wer sich nicht in Gefahr begibt – der kommt drin um!”
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.