Die SPD nach der ­Bundestagswahl 2013

(Veröffentlicht in: Politische Berichte Nr. 1/2014, S. 23)

 

Wenn man Wahlen auch als einen Kampf um Ressourcen betrachtet, so ging die SPD absolut gestärkt aus dem Bundestagswahlkampf 2013 hervor. Ein Plus von rund 1,25 Mio. Stimmen bringt jährlich etwa 875 000 Euro sogenannte Wahlkampfkostenerstattung in die Parteikasse. Und 47 Mandate mehr als 2009 bedeuten auch entsprechend viele neue Wahlkreisbüros und Mitarbeiterarbeitsplätze im Bundestag und in den Wahlkreisen.

Relativ zur Union ist die SPD durch deren Stärkegewinn (72 Mandate und rund 3,5 Mio. Zweitstimmen mehr als 2009) geschwächt. Aber das fällt nicht ins Gewicht, weil die SPD nicht nur an Ressourcen gewonnen hat, sondern auch Einfluss gegen Macht tauschen konnte. 7 Minister, 13 Parlamentarische Staatssekretäre, Dutzende Abteilungsleiter, Mitarbeiterstäbe und Zugänge zu Informationen und Institutionen (Ministerien!) können aus Sicht der SPD nicht hoch genug bewertet werden.

Zur Wahrheit über die Lage der SPD heute gehört auch, dass die Sozialdemokraten direkt neun, indirekt weitere vier Bundesländer regieren und über den Bundesrat initiativ werden sowie Druck aufbauen können.

Nicht vergessen werden sollte, dass das Land um 0,3% an einem dramatischen Erfolg des sogen. bürgerlichen Lagers vorbeigeschrammt ist, womit sich die Gelegenheit für die SPD überhaupt erst ergab. Diese Option war von der Partei wohl nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden, was den doch recht langen Prozess der Neuorientierung und Regierungsbildung bedingte.

Innerparteilich hat das gewonnene Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag den Parteichef Sigmar Gabriel sehr gestärkt und generell in der Partei Zusammenhalt gefestigt und in der Öffentlichkeit Reputation eingebracht.

Natürlich, das ist die politische Logik großer Koalitionen, gibt die SPD als Regierungspartei faktisch Platz links von der Mitte frei und rückt so politisch nach rechts. Symbolisch wird, das ist vom ersten Tag der GroKo an zu beobachten, die SPD diesen Eindruck des weiter zur Mitte und nach rechts Gezogen Werdens zu tilgen suchen. Die Gelegenheiten dazu sind zweierlei Art. Einmal kann die SPD in Regierung nun JEDES Thema aufgreifen und als koalitionsinternen Konflikt inszenieren. Sie kann selbst, frei von parlamentarisch oppositionellem Druck, Agendasetting aus ihren Ressorts heraus betreiben. „Opposition in Regierung“  kann sie aber nur darum sein, weil die GroKo faktisch ohne Opposition regieren darf. Die Grünen lassen Die Linke links liegen, externalisieren gewissermaßen ihren früheren internen Konflikt zwischen Realos und Fundis einerseits und behandeln sie, auch eigene Erfahrung, als die politischen Schmuddelkinder der Republik andererseits.  Kurz: Das Spiel der SPD geht nur auf, weil die Grünen als Regierung im Wartestand zwar der GroKo Kooperation anbieten, in Opposition aber nicht kooperationswillig sind und diese damit marginalisieren.

Mit einem bloßen Wort, künftig keine Kooperation mit der Linken mehr per se auszuschließen, hat die SPD sich eine zweite Machtoption erworben (R2G) und sich damit aus der babylonischen Gefangenschaft der Union befreit. Ein strategischer Pluspunkt!

Das umgehend begonnene Spiel der Regierungsparteien miteinander lässt nicht zwingend erwarten, dass sie frühzeitig scheitern muss. Die große Koalition hatte vor und nach der Wahl eine Zweidrittelzustimmung in der Bevölkerung. Der DGB wollte die große Koalition und hat sie bekommen. Und die, soviel darf angenommen werden, wird liefern. Insoweit muss auch die SPD nicht zwangsläufig in dieser GroKo verlieren. Sie wird alles tun, um das zu erreichen, was ihr in Opposition nicht gelang: Sich zu regenerieren.

Kann die SPD aber als Juniorpartnerin auch gewinnen? Vielleicht. Wenn es richtig ist, was  der Lobbyist Walther Otremba, Vorsitzender des Bundesverbands Briefdienste unlängst auf dem „Politikkongress 2013″ diagnostizierte, dass wir nämlich eine „marktwirtschaftliche Kälteperiode“, eine „Zeit wachsender Staatsgläubigkeit“ erleben, so liegt darin für SPD ihre Chance in der GroKo. Die SPD ist traditionell natürlich etatistischer als die CDU, zumal was den Sozialstaat betrifft. Setzte sie darauf und überließe der CDU die Planwirtschaft, könnte es ein Win-Win-Spiel für beide werden.


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