FDP pur – was ist drin nach dem Europaparteitag in Bonn ?

(Veröffentlicht in: Politische Berichte Nr. 2 vom 20. Februar 2014, S. 19)

 

Wenige Zehntelprozentpunkte fehlten am Abend der Bundestagswahl am dramatischen Sieg der „bürgerlichen” schwarzgelben Koalition. Vom kompletten politischen Establishment des Landes unerwartet fand sich die FDP, ewige Funktionspartei der Bundesrepublik, aus der parlamentarischen Arena vertrieben wieder auf der Straße, einem fürs Personal der Liberalen gewiss völlig fremden Terrain. Sie hatten dann rasch die Granden, junge wie alte, geschasst und sogenannte Hoffnungsträger, junge wie alte, an die Spitze gestellt.

Nun also der zweite Schritt des Neubeginns, die Aufstellung zur Europawahl. Neues war in der politischen Hauptsache, der Europapolitik, in strategischer Absicht nicht vorgesehen. Genau dies sollte gelten: Personell neu aufgestellt, im Kern aber nicht verändert oder gar radikalisiert. Nun, frei von koalitionären Rücksichten, konnte man sein, wie man eigentlich immer war und heute noch ist: liberal, liberal pur!

Lassen wir einmal die üblichen Phrasen von Bürgernähe, Subsidiarität, Marktwirtschaft und Bürgerrechten beiseite, so tritt der alte Grundsatz hervor: Sowenig Staat wie möglich, soviel wie nötig. Das spielen die Liberalen nun zwischen Brüssel und Berlin, wie es gerade passt. Bestimmte Probleme, von ihnen als die „großen Fragen” deklariert, Datenschutz, Energie etwa, sollen europäisch gelöst werden, anderes national. Aber wer bestimmt, welche Probleme „groß” sind? Armut, Sozialversicherungen, Arbeitsbedingungen, Jugendarbeitslosigkeit gehören erst einmal nicht dazu. Das ist immer noch der verkommene Wirtschaftsliberalismus, wie wir ihn seit Jahrzehnten kennen. Pur ist der auch nicht besser als mit Weihwasser.

Parteipolitisch stehen sie gegen alle, viel Feind, viel Ehr. Die Angriffe erfolgen in der Europapolitik wie auf nationaler Politikebene. Hauptgegner sei die GroKo, die käme nach der Trennung von der FDP vom rechten Wege der Konsolidierungs- und Stabilitätspolitik ab. Mit dieser aber sei Deutschland zum Leuchtturm in Europa der Krise geworden. „Gefälligkeitspolitik” zulasten der Steuerzahler und der künftigen Generationen sei das, was heute herrsche. Man lastet es der Kanzlerin an. Schließlich sind ja zuletzt viele Wähler von der FDP zur Union gewechselt. Die will Lindner zurück. Die Gefälligkeiten für die Wirtschaft werden nicht skandalisiert. Wen wundert’s.

Dem Gespenst der AfD begegnet man nun etwas subtiler, nicht ungeschickt. Man sei, anders als diese, klar proeuropäisch. Generell richte man sich an jene Generation, für die Europa schon immer war und nicht wegzudenken ist. Nicht aus der Geschichte, mit Schulterblick gewissermaßen, sondern von der Zukunft her, den sich auftuenden Chancen, begründet sich Europa heute und es legitimiert sich auch so. Andererseits aber habe die Europa­freundlichkeit auch ihre Grenzen. Man wolle den ESM zurück fahren, Staaten sollten freiwillig gehen können, auch in die Insolvenz. Man geißelt die rasende Regulierungswut Brüssels, warnt vor einer europäischen Superbehörde, einem Superstaat. Deutschland dürfe nicht für die Sünden der andern zahlen. Schon gar sei davor zu warnen, dass das Europäische Parlament über die Rettungspolitik mitbestimmen könne, die Nehmerländer in der Mehrheit – soweit ginge die Demokratie ja nun auch nicht. Wären ja auch keine „großen Probleme”, die da zur Entscheidung stünden.

Ja, so werden unter dem Deckmantel proeuropäischer Überzeugungen aber auch alle Ressentiments und Ängste der Deutschen bedient. Die FDP bietet sich, ebenso wie die AfD, aber vermeintlich proeuropäisch, als Projektionsfläche dafür, angesichts einer tief skeptischen Bevölkerungsmehrheit, an. Das ist das Geheimnis des Europaparteitages. Das ist tatsächlich Populismus, jene politische Haltung, die es weder ernst noch ehrlich meint mit den Sorgen und Nöten der Menschen, deren Sprache sie aufgreift.

Diese „neue” FDP ist so verkommen wie die alte, mit ihrem neuen Populismus ist sie keinen Deut besser als die AfD, beide werden die Menschen, die glauben wollen, enttäuschen. Das ist gefährlich für die Demokratie in Deutschland und schädlich für Europa. Die FDP, wenn auch nur außerparlamentarische Kraft, sollte von der Linken darum entschieden bekämpft werden.        


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