Linke Politik aus Sachsen heraus

(Veröffentlicht in: DIE LINKE. im Erzgebirgskreis, September 2016, S. 3f.)

Wir erleben derzeit einen Globalisierungsschock. Es bricht über uns herein, was die Regierungen von Angela Merkel versucht haben, von uns fern zu halten: dass es jenseits der deutschen Grenzen eine Realität gibt, die fremd, bedrohlich, ungemütlich ist. Terror in Paris, Übergriffe in Köln zu Silvester, Flüchtlinge in großer Zahl, Krimkrieg und Brexit, Verwerfungen mit der Türkei, mit Russland sowieso, Klimakatastrophen, TTIP und was nicht noch alles. Für viele Menschen ist das einfach zu viel. Angst macht sich breit. Und Wut auf die Politik, die versprach, das alles von uns fern zu halten. Die große Verabredung war doch: Wir leben, unterm Strich, in Deutschland besser als je zuvor. Dafür kümmern wir uns nicht um Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wir sind bequem geworden und hassen jede Veränderung.

Ein Teil von uns wird aktiv, das hilft nebenbei auch gegen die Angst. Man hilft den Flüchtlingen bei den einfachen Dingen, die hier so schwierig sind. Andere verharren im Glauben, Veränderungen seien nicht nötig, man werde sein bisheriges Leben wieder aufnehmen können. Und es gibt diejenigen, die in der Not auf ebenso einfache wie dumme Erklärungsmuster für das Schlamassel, das die Politik angerichtet hat, zurückgreifen.

Die Politik reagiert fast spiegelgleich: Da ist Frau Merkel, die versucht, einfach weiter zu machen und mit Reparaturen das gewohnte, bequeme Leben zu bewahren. Und da sind die Rechtspopulisten der AfD, die meinen, man könne eine große Mauer um Deutschland bauen und uns, die Guten, von den Problemen der Welt frei halten. Aber da sind auch die Linken, in verschiedenen Parteien und außerhalb solcher, die sich in ihrer Einsicht bestätigt sehen, dass es eine neue Ordnung zu schaffen gilt, die für Sicherheit und Gerechtigkeit sorgt, Umweltzerstörung, Finanzströme und Steuerflucht in den Griff bekommt und die Umbrüche in der Arbeitswelt, der Lebenswelt und der Politik zu gestalten Raum gibt. Eine solche Ordnung zu denken und zu schaffen wäre ein Generationenprojekt für Jahrzehnte.

DIE LINKE in Deutschland ist dieser Überzeugung schon lange, das galt schon für die PDS. Das wissen auch viele Leute. Wo also ist das Problem?

Das Problem ist ein Mehrfaches: Wir haben als Partei ein Programm, aber keinen Plan, keine Wegbeschreibung, die überzeugt. Katja Kipping und Bernd Riexinger haben versucht, diesen Mangel mit ihrer Beschreibung einer „Revolution der Gerechtigkeit“ zu beheben. Wir haben Probleme, glaubhaft zu machen, dass wir auf unserem Weg nicht leichtfertig die Fundamente der Gesellschaft angreifen wollen, Wohlstand und Standards, Gesetze und Verträge, internationale Verpflichtungen usw. Man attestiert uns häufig einen Mangel an Pragmatismus, an Kompromissfähigkeit und dem Willen, unsere Ziele auch umzusetzen. Es fällt uns in Sachsen, in Deutschland und in Europa auch, schwer, Kraft zu ziehen für den Bau einer neuen Ordnung. Das „Lager der Solidarität“ ist ein bloßer Gedanke, keine kraftvolle Bewegung.

Die Partei strahlt nicht aus, woran die Mehrzahl der Menschen im Land eh zweifelt: Den Glauben an eine politische Gestaltung der Welt. Dieser Glaube aber ist die Brücke zu unserem Ziel: Die Lebensumstände der gewöhnlichen Menschen zu verbessern. Drei Dinge wären zu tun: (1) Die prinzipiellen Probleme der Gesellschaft visionär ansprechen. (2) Attraktive Wege des Umgangs mit den Problemen vorschlagen. Und (3) neue Wege suchen, Interessen der gewöhnlichen Menschen, die eigene Anhängerschaft und die politische Unterstützung aus der Gesellschaft zu kombinieren. Das wäre eine linke Politik aus Sachsen heraus, die sich weder im Globalen noch im Lokalen verlöre und also auf der Höhe der Zeit wäre.


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