(Veröffentlicht in: Politische Berichte 2/21, S. 25f.)
Warum die Linke nach den Wahlen in BaWü und RLP gute Karten hat und worum es bei den nächsten Wahlen tatsächlich geht.
Die mit Spannung erwarteten Landtagswahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz sind ohne Überraschungen verlaufen. Nun haben die Parteien erst einmal Ruhe; die Wahl in Sachsen-Anhalt ist für sie so interessant wie das Land selbst: wenig. Nur die CDU ist im Unruhezustand. Das Krisenmanagement läuft schlecht. Die Zeit ist ihr größter Feind, sie läuft dem neuen Parteivorsitzenden innerparteilich, bei der Wahlkampfvorbereitung, ebenso davon wie der Noch-Kanzlerin beim Testen, Impfen und Öffnen. – Zeit also, einen Blick darauf zu werfen, was zu erwarten sein wird für den Rest des Wahljahres.
Dr. Harald Pätzolt, Berlin, 22.3.2021
I. Beginnen wir mit Sachsen-Anhalt. Schließen wir einmal die berühmten „jähen Wendungen“ aus, dann dürfte das Rennen für den bisherigen MP Haseloff und die CDU gelaufen sein. Der Mann ist beliebt, 61% seiner Landeskinder waren im Februar 2021 mit ihm zufrieden. Bei der Sonntagsfrage lag die CDU im Januar d. J. bei 30 %. Und bei Landtagswahlen entscheiden Landesthemen und die Zufriedenheit mit den LandespolitikerInnen.
Also: Worum geht es dann noch? Nur darum, wer von den beiden Kleinen (SPD und Grüne) die Nase diesmal in Kenia II vorn haben wird. Nicht gerade spannend.
Und Die Linke? – Natürlich hat sie keine Regierungsoption. Keine Chance, etwas aus ihrem Wahlprogramm umzusetzen, das weiß jede/r. Ihre Chance, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, erwächst nun aber gerade aus dieser kompletten politischen Tristesse: Wo keine Spannung ist, da schaffen die Medien welche. Dafür gibt es nur ein taugliches Szenario: Die linke Spitzenkandidatin wird zur einzigen Gegenkandidatin auf Augenhöhe des CDU-Manns. Ihr obliegt, die Rolle zu spielen. Die Schwächen der CDU attackieren, die liegen auf der Hand: Schlechtes Pandemie-Management der CDU (Bund und Land) und die Folgen für Bildung, Gesundheit und Verödung einzelner Branchen. Und dass der MP keinen Plan hat, jetzt zu handeln. Die eigenen Stärken bei diesen Themen zur Geltung zu bringen.
II. Darf man einen Blick auf die Bundestagswahl im Herbst riskieren? Warum denn nicht? – Alle Probleme, die das Land aktuell hat, sind auch die Probleme der Union. Ebenso und in kausaler Weise gilt: Die Union ist Deutschlands größtes politisches Problem. Dennoch und auch ohne die ausscheidende Amtsinhaberin und ohne annähernd attraktive Nachfolge dürfte die Union wieder stärkste Partei werden.
Die SPD ist bislang unentschieden. Die Führung pendelt strategisch zwischen einer Old-left-Strategie der Verteidigung und Ausweitung sozialer Gleichheit in einer sich wandelnden Welt und einer New-left-Strategie, die das Engagement für soziale Gleichheit mit Identitätspolitik zu vereinen sucht. Immerhin hat sie schon einen Spitzenkandidaten, bei dem man eher eine moderate linke Position (center left) vermuten darf. Ob es gelingen wird, auf allen drei Wegen Stimmen zu gewinnen, ist offen. – Die Grünen werden sich verdoppeln.
Der einzig interessante Punkt bei dieser Wahl ist der, dass seit langer Zeit mal wieder eine Regierung ohne Union möglich werden könnte. 2005 war das für die FDP keine Option, heute schon. Auch wenn sie den Exodus aus der Sondierung 2017 nutzen kann, um sich gegen eine „alte“ Funktionszuweisung als Scharnierpartei zu wehren. Deswegen wird für alle Parteien im Wahlkampf die Verdrängung der Union aus der Regierung das einzige wirkliche Thema sein.
Und Die Linke ? Für die Linke ist die Pointe die: Ist eine Ampel möglich, wird auch R2G möglich sein. Entsprechend wird die Linke Teil einer Allianz derer, die die Union aus der Regierung drängen wollen, sein und ihre Mitgift für eine andere Option als die Ampel ausstellen müssen.
III. Nicht unähnlich ist die Situation in Berlin, wo zeitgleich zum Bundestag das Abgeordnetenhaus neu gewählt wird. SPD und Grüne batteln um die Führung. Die CDU ist raus. Neben einer Fortsetzung der Koalition (R2G) scheint auch eine Ampel als eine, aktuell noch schwache, Option möglich.
Und Die Linke? Mit entschieden stärkeren Referenzen als im Bund wird die Linke in den Dreikampf um die Spitze gehen, deren Spitzenkandidat ist auf Augenhöhe. Sie wird eine mögliche Ampel als politischen Richtungswechsel in Berlin bekämpfen. Das ist der Punkt.
IV. In Mecklenburg-Vorpommern wird die SPD das Rennen machen. Das ist klar. Die Amtsinhaberin ist beliebt, die Zufriedenheit noch dafür ausreichend. Die einzige Frage bei dieser Landtagswahl wird sein, ob auch hier die CDU aus der Regierung verdrängt wird. R2G ist möglich.
Und Die Linke? Die CDU ist das Problem. Darzustellen wird sein, warum die Partei in Mecklenburg-Vorpommern aus der Regierung fliegen wird. Weil sie bremst, wo zu handeln ist. Weil es ein besseres Koalitionsangebot gibt. Das ist auszubreiten. Und: Solange R2G als Option besteht, ist alles andere nachgeordnet.
V. Last, but not least: Thüringen. Die Linke und Bodo Ramelow werden die Wahl gewinnen. Keine Frage. Worum es bei dieser Wahl einzig geht, ist, ob es für R2G wieder reicht und damit überhaupt zu einer anderen als einer Minderheitenregierung oder zu Neuwahlen. Den Freistaat regierbar machen, das ist der Job bei dieser Wahl. Dazu muss mobilisiert werden. That’s it!
Fazit: Lenkt man den Blick darauf, was heute schon halbwegs sicher ist und worum es noch geht bei den Wahlen dieses Jahres, dann hat die Linke einen klaren Gegner: Die Union bzw. die CDU. Und sie hat bei jeder Wahl ihre Chancen, auch wenn die sich nicht in Prozentpunkten, sondern allein (macht)politisch darstellen lassen.
Was tun? (Nachtrag vom 22.3.2021)
Kein Grund gäbe es für einen linken Alarmismus. Das habe ich behauptet und auf mageren zwei Seiten begründet. Aber was nun? Folgt daraus etwas für die Linke, für die Wahlkämpfe noch in diesem Jahr 2021? Wenn ja, dann müsste es schnell gehen damit. Aus wenigen Zeilen zu dem einen und dem anderen Bundesland sollte etwas herzuleiten sein? Wie das, nach den monatelangen mühsamen Debatten um Wahlprogramme, Wahl – und Kommunikationsstrategien? Den vielen Meetings und Ein- und Entwürfen, Kompromissen?
So wahr es ist, dass im Wahlkampf nur geerntet wird, was in den Jahren davor gesät und gepflanzt, gehegt und gepflegt worden ist, so wahr ist, dass Wahlkampf eben nicht der einfache Fortgang der Politik der Partei ist. Qualitativ ist Wahlkampf etwas anderes. Besser: er sollte es sein.
De facto ist der mitunter quälende Prozess innerparteilicher Meinungs- und Willensbildung, der dann in Programm und Strategie zu einer Wahl mündet, ein Blick über die Schulter. Eine Selbstvergewisserung, wer man ist und in welche Verhältnisse man sich zu andern (politischen Akteuren) nun gesetzt findet. Gelingt das einigermaßen, weiß die Partei dann, wer sie ist, hat sich ihrer Identität neu versichert. Gelingt das nur unzureichend, kommen die Beteiligten auf die Idee, diesen Prozess der politischen Selbstfindung auf den Wahltag hin zu verlängern, gewissermaßen in einer größeren Öffentlichkeit auszutragen. Das ergibt dann den von mir so genannten „ReferentInnen – und FachpolitikerInnen-Wahlkampf“; die BürgerInnen werden mit alledem, was die Partei so für Ideen, Einschätzungen, Vorschlägen und auch Personen vorzubringen hat, behelligt.
Dass die BürgerInnen, wenn sie dann als WählerInnen auftreten, derartig selbstunsichere Parteien, die kein klares Bild von sich vermitteln, weil sie es selbst von sich nicht haben, wenig schätzen, zeigt sich dann am Wahlabend ganz unausweichlich.
Also wie dann? Was tun?
Strich drunter! Wahlprogramme, Wahlstrategien erst einmal beiseitegelegt und allein darauf geschaut, worum es bei den Wahlen geht und was überhaupt durch eigenes Zutun erreicht werden kann. Davon war in meinem Alarmismus-Papier die Rede.
Ich will das, noch knapper, kurz für einige Wahlen andeuten:
Sachsen-Anhalt: Wenn es nur noch darum geht, die eigene Spitzenkandidatin gegen den MP in Stellung zu bringen und erfolgreich agieren zu lassen – läge dann nicht eine klare Personalisierung des ganzen Wahlkampfes nahe? Wären dafür nicht die bisherige Ressourcenallokation zu überdenken?
Berlin: Da scheint das schon klar. Der linke Spitzenkandidat steht für eine Fortführung der eigenen linken Politik und damit gegen eine mögliche Alternative in Gestalt einer Ampel.
Mecklenburg-Vorpommern: Ob die CDU im Land stark ist oder nicht, darüber ist nicht zu reden. Sie ist das Problem, im Land und im Bund. Darüber wäre zu reden. Und über sich, die Linke, die aufs Tempo beim Handeln besteht und weiß, wo zu handeln ist. Über sonst nichts. Noch ist die eigene Botschaft gefühlt eine Stunde lang. Dies und Jenes. Dabei sollte sie einen Satz lang sein: Die CDU ist das Problem, sie muss raus aus der Regierung.
Thüringen: Viel wäre zu berichten von Erfolgen, von dem, was noch kommen soll. Dabei ist die Botschaft doch die: Thüringen braucht eine Regierung, braucht klare Verhältnisse, braucht Ramelow!
Und im Bund? Da kann die Botschaft doch nur sein: UNION raus aus der Regierung! Alles andere, die Option R2G, ergibt sich dann von selbst.
Fazit: Schluss mit dem Blick über die Schulter und tun, was getan werden kann und muss: Das Problem benennen (CDU/UNION), die Chance erkennen (Optionen) sich ins Spiel dafür bringen.